Buchtipp: „Das Philosophenschiff“ von Michael Köhlmeier
Mit „Das Philosophenschiff“ hat der österreichische Autor Michael Köhlmeier einen faszinierenden Roman geschrieben. Worum geht es: Die Grande Dame der Architektur, berühmt in den USA und Europa, Frau Professor Anouk Perleman-Jacob feiert ihren hundertsten Geburtstag mit der Hautevolee Österreichs. Bei dieser Gelegenheit lädt sie den Autor und Ich-Erzähler ein, ihm bei Bier und Zigaretten ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Geboren wurde sie 1908 im zaristischen Sankt Petersburg als einzige Tochter jüdischer Eltern, einer angesehenen Ornithologin – sie hatte die Rosenmöwe in den Polargebieten entdeckt – und eines Architekturprofessors. Sie erleben die Revolution, das Zarensystem wird abgelöst durch den Terror und die Entbehrungen der Bolschewisten. Die Familie kommt zusammen mit einem Dutzend anderer Intellektueller auf einen für das Grüppchen viel zu großen Kreuzfahrtdampfer. Dort begegnet das Mädchen einem geheimen Mitpassagier: Lenin.
Historische Fiktion ist das Genre, dessen sich Köhlmeier nach „Zwei Herren am Strand“ über eine fiktive wenn auch prinzipiell mögliche Begnung von Winston Churchill und Charlie Chaplin wieder bedient. Neben dem spannungsreichen Plot bietet dieser Roman wertvolle Erkenntnisse über das Leben und Denken in autoritär gelenkten Gesellschaften, heute wertvoller denn je.
Nur mit Tapferkeit, Chuzpe und einer sehr großen Portion Glück kann man die Diktatur unbeschadet überstehen und einhundert Jahre alt werden.
Michael Köhlmeier
„Das Philosophenschiff“
Hanser Verlag, 224 Seiten, 24 Euro
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