Buchtipp: „Zweistromland“ von Beliban zu Stolberg
Diese Frau ist nicht zu verstehen. Warum lebt die Protagonistin mit dem schweigsamen Schweden zusammen, warum geht sie nach Istanbul, wieso treibt es sie schwanger plötzlich in die unruhige kurdische Region der Türkei? Natürlich lassen sich Gründe finden, aber wer würde das tatsächlich in ihrer Lage tun? Dilan hört auf ihre innere Stimme, geht an den Tigris und an ihre Grenzen, wo sie die Geschichte ihrer Familie und damit ihre eigene sucht.
In der Rückschau blicken wir in ihre Kindheit an der Nordsee. Die türkisch-kurdischen Eltern, die Freundinnen, mit denen sie sich über den Deich treiben lässt, das seltsame Wesen, das zeitweise im Haus wohnt. Je älter sie wird, desto geheimnisvoller scheinen die Fragen, die sich ihr stellen.
Ein sehr sensibel aber auch rätselhaft, mitunter brutal erzählter Roman über die Vergangenheit in einem selbst und in der Landschaft der Eltern, die die eigene Identität bestimmt. Das Buch eröffnet einen Blick in die Geschichte der blutigen und grausamen Unterdrückung der Kurden in der Türkei und wie sich die Erlebnisse der Eltern auf das gesamte Leben kommender Generationen auswirken. Wieviel muss man offenlegen, wieviel Schweigen und wieviel Wahrheit kann man ertragen? Ein Buch, das einen bewegt zurücklässt, übrigens in einer sehr wunderschönen Ausstattung im kleinen, aber sehr sehr feinen Kanon Verlag erschienen.
Beliban zu Stolberg:
„Zweistromland“
Kanon Verlag, 208 Seiten, 23 Euro